Chronik
Das Kunstprojekt „Stolpersteine“ von Gunter Demnig hatte in Kassel bis zum 07.11.2011 keine Chance, eingeführt zu werden.
Noch am 02. September 2008 wurde von der Jüdischen Gemeinde in Person ihrer Vorsitzenden Esther Haß vorgegeben: „Gefühle und Einwände von jüdischer Seite sollten bedacht und berücksichtigt werden“ . (HNA vom 02.09.08)
Das hatte zur Folge, dass der Magistrat der Stadt Kassel keine selbstständige Unternehmung in dieser Sache machte und auch Bürger, die sich dafür engagierten, ignorierte. Es gab viele Leserbriefe von Bürgern, die für die Verlegung von Stolpersteinen in Kassel waren.Am 31.10.2008 lud das Kasseler Bali-Kino zur Premiere von Gunter Demnigs Dokumentarfilm „Stolperstein“ ein. Gunter Demnig selbst war anwesend. Dieser Film zeigte die Projektsituation bis dahin – 17.000 Steine waren bereits europaweit verlegt – und auch den Umgang von Bürgern mit diesem Kunstprojekt. (HNA vom 31.10.2008)
Ich fühlte mich nach diesem Film aufgefordert, endlich einen neuen Anlauf zu machen, um das Kunstprojekt des in Kassel bei Harry Cramer studierten Gunter Demnig zu verwirklichen. Deshalb stand ich am Ende des Films auf und fragte das Publikum, wer mit mir an der Verwirklichung arbeiten wollte. Gunter Demnig frage ich hinterher, für wie viele Steine er nach Kassel käme und er zeige mir eine Eins. Das machte mir Mut und ich hatte auch schon eine Idee, wie ich es verwirklichen wollte: Ich wollte den Magistrat der Stadt Kassel und die Anliegen der Jüdischen Gemeinde umgehen, indem ich für ein politisches Opfer auf einem Privatgrundstück den ersten Stein verlegen wollte. Es trugen sich im Anschluss in meine Liste für eine Initiative ein Dutzend Interessenten ein. Ende September 2008 begannen regelmäßige Treffen.Da wir uns entschieden hatten, zunächst erst einmal Steine für Kasseler Bürger zu legen, die aufgrund ihres politischen Engagements ermordet wurden: Dr. Kurt Finkenstein, Dr. Max Plaut, Die Kaiserbrüder, Alfred Gail, Luise Neuhaus. Wir entwickelten eine Liste von ehemaligen Bürgern jüdischen Glaubens, für die wir einen Stein auf privatem Grundstück verlegen wollten.
Diese Idee, Stolpersteine auf Privatgrundstücken zu verlegen, gestaltete sich schwierig, da mit der Grundstückssuche, wo die Bürger gewohnt hatten, sich das Problem auftat, die jetzigen Grundstückseigentümer zu finden. Das bedeutete, dass wir Hausbesitzer aufsuchen mussten, um abzuklären, auf dem Stück nicht öffentlichen Grund des Bürgersteiges z. B. einen Stein verlegen zu dürfen. Diese Gespräche waren weitgehend erfolglos. Erst 2011 entwickelte sich durch die persönliche Bekanntschaft von Jochen Boczkowski ein Kontakt mit dem (Enkel von Traugott Eschke) eine Möglichkeit, im Hofbereich den ersten Stein zu verlegen (HNA 23.05.2011). Dies geschah am 26.05.2011 (HNA 28.05.2011). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Initiative 50 Mitglieder, 10 Personen davon haben regelmäßig gearbeitet. Die Tätigkeit der Initiative ragte noch in die Verlegung der Stolpersteine durch den Verein Stolpersteine in Kassel e.V. hinein, weil die Personen, welche vorab von der Initiative ausgesucht waren, dann auch ihre Realisation erfuhren.
26.05.2011 Erste Stolpersteinverlegung auf Privatgrundstück für Traugott Eschke22.09.2011 Durchbruch – Antrag aller Fraktionen an STAVO07.11.2011 Verabschiedung durch die STAVO mit der bitte in Verein e.V. überzugehen17.01.2012 Treffen zur Vorbereitung des Vereins15.05.2012 Treffen zur Vorbereitung des Vereins26.06.2012 mit Beginn der Vereinsarbeit Stolpersteine in Kassel e.V. geht die Korrespondenz über Jochen Boczkowski
Vorschläge und Bearbeitungen von geplanten Stolpersteinverlegungen, deren Realisation dann durch den späteren Verein erfolgten:
Name des Stolpersteins | Geburts-/Todesdatum | Verlegungsort |
Luise Nauhaus | 1879 / Mai 1941 | Ständeplatz 21 |
Alfred Gail | 08.02.1925 / 09.05.1945 | Fünffensterstr. 4 |
Julius Dalberg | — | Hohenzollerstr. 5 (heute Friedrich-Ebert.Str.) |
Dr. Felix Blumenfeld | 02.05.1873 / 25.01.1942 (Suizid, um der Deportation zu entgehen | Zwei Steine: Vor KH Park Schönfeld, Hugo-Preuß-Str. 21 |
Kurt Finkenstein | 27.03.1893 / 29.01.1944 in Auschwitz | Karthäuser Str. 5a |
Paula Lohagen geb. Niewöhner | 17.01.1897 in Herford /1935 drei Jahre Zuchthaus in Ziegenhain, danach KZ Ravensbrück. Nov. 1942 letztes Lebenszeichen aus Auschwitz | Franzgraben 47 |
Otto Elias | JG 1897, Flucht 1933 Holland, 01.03.1943 Deportiert, Ermordet in Dachau 21.12.1944 | Schiller-Straße 38 |
Ruth Marion Pauline Burghardt | JG. 1924, Flucht 1933 Holland, sie überlebte die Verfolgung, 2006 in der Schweiz gestorben | Schiller-Straße 38 |
Verlegung des ersten Stolpersteins in Kassel
Traugott Eschke 26.05.2011
Rede von Ingrid Pee
Anwesend: Mario Wolf (Urenkel), Vera Müller (Enkelin, Offenbach), Vertreter der jüdischen-liberalen Gemeinde aus Gudensberg, Frau Stadträtin Bergholter, ca. 40 Bürger
„Wir bedanken uns bei Gunter Demnig, dass er zur Verlegung von nur einem Stein gekommen ist, der nicht auf städtischem Grund, sondern auf Privatgrundstück von Mario Wolf, dem Enkelsohn von Traugott Eschke, verlegt wird. Dieser Stein des Anstoßes und der Hoffnung soll endlich für Kassel die Verlegung von Stolpersteinen befördern. Die Stadt Kassel ist besonders wichtig, weil der Künstler Gunter Demnig hier sein Studium bei Harry Kramer, dem Gründer der Nekrople, absolviert hat. 1990 hatte Gunter Demnig eine 12 km lange Spur durch Köln an die Stätten der Sinti und Roma gezogen. 1994 wurde der erste Stolperstein verlegt. 1997 fand nur illegal ein Marsch durch die Institutionen in Köln statt. 2000 nimmt Köln das Stolpersteinprojekt an. Inzwischen liegen in 640 Städten 28.000 Steine.
Jochen Boskowski hat es durch persönliche Bekanntschaft mit Mario Wolf geschafft, dass ein erster Stolperstein auf Privatgrundstück in Kassel in der Firnskuppenstraße 15 in Harleshausen verlegt wird. Wir gedenken mit diesem Stein Traugott Eschke. Am 02. Januar 1895 in Kerstenhausen geboren war er Schlosser bei der Reichsbahn. Als KPD-Gemeindevertreter setzte er sich für Hilfsbedürftige und Rentner ein, er war Gegner der Nazidiktatur und wurde 1935 direkt aus einer Sitzung heraus verhaftet. Er wurde zu 15 Jahren Zuchthaus in Kassel-Wehlheiden verurteilt und Folter und unmenschliche Haftbedingungen haben ihn zu Grunde gerichtet. Er starb am 08. Januar 1943 im Alter von 48 Jahren. Man hatte ihn einen Tag vor seinem Tod entlassen, damit der Tod im Gefängnis umgangen werden konnte. Mario Wolf liest aus den wiedergefundenen Briefen seines Urgroßvaters vor.
Wir stehen hier, um seinem schweren Schicksal nach 68 Jahren zu gedenken und ein äußeres Zeichen durch Verlegung eines Erinnerungssteins zu setzen. So erfüllt sich die Funktion des Stolpersteins, an dem man gedanklich inne halten soll.“
Verlegung des ersten Stolpersteins in Kassel
Rede Alfred Gail
Rede für Verlegung Alfred Gail am 03.04.2013 von Ingrid Pee
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Gunter Demnig, liebe Stolpersteinaktive und – interessierte,ich bin sehr froh, dass wir heute offiziell die ersten Stolpersteine in Kassel verlegen. Es waren über 3 Jahre Vorarbeit nötig, bis wir unseren ersten Stein – noch auf Privatgrundstück 2011 ohne Zustimmung der Stadt – verlegen konnten. Einige von unseren damaligen angedachten Personen können heute mit Steinen bedacht werden.An dieser Stelle soll ein Stein an Alfred Gail erinnern, dessen Schicksal besonders tragisch ist, weil er in den ersten Nachkriegstagen noch zu Tode kam. Bedanken möchte ich mich zunächst erstmal bei Jens Haupt, der die Kosten für diese Verlegung vom Zentrum für Freiwilligen-, Friedens- und Zivildienst (ZFFZ) übernimmt. Leider kann die hier in Kassel lebende Nichte von Alfred Gail nicht teilnehmen, da sie momentan in Urlaub ist.
Alfred Gail
Geb. am 08.02.1925 in Kassel
Das Schicksal von Alfred Gail ist gut dokumentiert in dem Buch „Ich hab die Metzelei satt und laufe über“ von Jörg Kammler. Nach der Teilkapitulation der Wehrmacht am 05. Mai beschließen 4 junge Leute, die in Dänemark in Kreena (bei Aarhus) auf dem Marineschiff Buéa sind, sich nach Hause zu den Angehörigen durchzuschlagen, darunter Alfred Gail.Führend bei diesem Vorhaben war Fritz Wehrmann. Die jungen Männer wollten sich der eventuellen Verhaftung durch die Engländer entziehen. (für Fritz Wehrmann ist in Leipzig ein Stolperstein gelegt worden)Unglücklicherweise werden sie von einer dänischen Einheit aufgegriffen und zurück auf das Marineschiff gebracht. Dort gibt es eine Schnellverhandlung, in dessen Verlauf 2 Tage nach Ende des Krieges 3 der 4 Leute zum Tode verurteilt und auch sofort hingerichtet wurden.
Brief von Alfred Gail an seine Mutter und Brief an LiloVorlesen der Briefe von Jens Haupt
Diese Todesurteile waren die Letzten von der NS-Militärjustiz von 16.000 gegen Soldaten verhängten Urteils.„Den Angeklagten wurde dabei kein juristischer Beistand gewährt, was wiederum verdeutlicht, dass es dem Gericht nur um eine schnelle Urteilsfindung ging. Die Anklagevertretung drängte durchgehend auf ein Todesurteil für alle Angeklagten, lediglich Kurt Schwalenberg gelang es sich zu verteidigen und so das Todesurteil abzuwenden.Die anderen drei Beschuldigten wurden ohne Begründung und Chance auf ein Gnadengesuch zum Tode durch Erschießen verurteilt Die Vollstreckung wurde auf den nächsten Tag festgesetzt. Es gab Tendenzen die Ausführung des Urteils zu verhindern, jedoch fürchteten einige ähnlich harte Strafen bei einer Meuterei und ein Großteil hielt die Urteile trotz der Härte für gerechtfertigt.
Am 10. Mai wurden die Verurteilten an Deck der „Buéa“ durch eine Salve erschossen und anschließend mit Gnadenschüssen gerichtet. Die Leichen wurden mit Gewichten beschwert und im Meer versenkt.“Mehrere Gerichtsverfahren im LG Hamburg gegen 5 Personen wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit, endeten mit geringfügigen Gefängnisstrafen 48/49, letztinstanzlich in 53 mit Freisprüchen.Alfred Gails Mutter, die 48 als Nebenklägerin aufgetreten war und vergeblich eine gerechte Sühne gefordert hatte, zerbrach an der Erfahrung, dass die für den sinnlosen Tod verantwortlichen weder ihre Schuld zu erkennen vermochten, noch vor Gericht für schuldig befunden wurden. Laut Aussagen von Simone Gail nahm sie sich wahrscheinlich das Leben. Uns bleibt hiermit die Aufgabe der Erinnerung

Mitte: Mit Mikrofon Ingrid Pee, links daneben: Jens Haupt, im Vordergrund: Gunter Demnig
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